Ich bin Heilerziehungspfleger. Ich arbeite in einer Kita. Dort betreue ich Kinder, die besondere Unterstützung brauchen. In meiner Arbeit erlebe ich viele schöne Dinge. Aber manchmal erlebe ich auch sehr traurige Situationen. Zum Beispiel, wenn ein Elternteil stirbt. Oder wenn ein Bruder oder eine Schwester stirbt. Dann ist plötzlich alles anders.
Ein Kind, das einen wichtigen Menschen verliert, ist oft sehr traurig. Es weiß nicht, wie es damit umgehen soll. Oft weiß auch niemand in der Kita sofort, was man tun kann. Ich habe das schon mehrfach erlebt. Und ich weiß: Es ist jedes Mal eine große Belastung. Für das Kind. Für die Eltern. Für die Kolleginnen. Und auch für mich selbst.
Ich habe deshalb eine Fortbildung gemacht. In der Sternbrücke in Hamburg. Die Sternbrücke ist ein Kinder-Hospiz. Dort lernen Menschen, wie man Kinder begleitet, wenn jemand in der Familie stirbt oder sehr krank ist. Ich habe dort viel gelernt. Dieses Wissen möchte ich hier teilen. Ich möchte erklären, wie wir Kindern helfen können. Auch wenn die Situation schwer ist. Und ich möchte zeigen: Wir dürfen nicht schweigen. Wir müssen da sein. Mit dem Herzen. Und mit guten Ideen.
Kinder trauern anders
Wenn Erwachsene traurig sind, weinen sie oft. Oder sie ziehen sich zurück. Kinder machen das manchmal auch. Aber Kinder trauern oft anders. Manchmal spielen sie. Und lachen. Und eine Stunde später sind sie ganz traurig. Das ist normal. Kinder können ihre Gefühle oft nicht lange zeigen. Sie brauchen Pausen. Deshalb wirkt es manchmal so, als wäre das Kind gar nicht traurig. Aber das stimmt nicht.
Einmal ist der Vater eines Jungen in meiner Gruppe gestorben. Der Junge war erst 4 Jahre alt. Am nächsten Tag kam er in die Kita und spielte, als wäre nichts passiert. Aber später weinte er ganz still in der Bauecke. Und dann sagte er: „Mein Papa ist jetzt im Himmel. Aber ich kann ihn nicht sehen.“ Das hat mir gezeigt, wie viel Kinder verstehen. Und wie wichtig es ist, dass wir ihnen zuhören.
Wir müssen mit Kindern reden
Viele Erwachsene wollen Kinder vor traurigen Themen schützen. Sie sagen dann: „Opa ist eingeschlafen.“ Oder: „Papa ist jetzt ein Stern.“ Aber Kinder verstehen das oft nicht. Oder sie denken, dass Schlafen gefährlich ist. Oder dass Sterne traurig sind. Besser ist: Wir sagen die Wahrheit. Aber in einfachen Worten.
Ich sage oft: „Der Papa lebt nicht mehr. Sein Herz hat aufgehört zu schlagen. Er kann nicht mehr sprechen. Und auch nicht mehr lachen. Das heißt: Er ist gestorben.“ Das klingt hart. Aber Kinder können das verstehen. Es hilft ihnen, die Welt zu begreifen. Und es hilft ihnen, Vertrauen zu uns zu haben. Denn wir lügen sie nicht an.
Rituale helfen
Wenn jemand stirbt, ist alles durcheinander. Ein fester Ablauf kann dann helfen. In der Kita haben wir viele Rituale. Wir singen morgens ein Lied. Wir machen gemeinsam Pause. Wir verabschieden uns mit einem Spruch. Wenn ein Kind trauert, können solche Rituale helfen. Sie geben Sicherheit.
Wir machen manchmal auch besondere Rituale. Einmal haben wir für ein Mädchen, deren Schwester gestorben war, eine Kerze angezündet. Jeden Morgen. Das Mädchen hat die Kerze selbst angemacht. Sie hat gesagt: „Das ist für meine Schwester.“ Und dann war sie still. Aber sie war dabei nicht allein. Wir waren alle da.
Kreatives hilft beim Fühlen
Kinder können oft nicht sagen, was sie fühlen. Aber sie können malen. Oder mit Knete spielen. Oder in der Bauecke etwas bauen. Ich beobachte genau, was ein Kind tut. Wenn ein Kind einen Sarg malt, dann spreche ich vorsichtig mit ihm darüber. Ich sage: „Du hast ein Haus ohne Fenster gemalt. Ist das vielleicht ein Sarg?“ Und oft nickt das Kind. Dann kann es erzählen. Und es merkt: Ich darf das. Ich werde verstanden.
Manchmal helfen auch Bilderbücher. Es gibt gute Bücher zum Thema Tod. Zum Beispiel „Leb wohl, lieber Dachs“. Oder „Ente, Tod und Tulpe“. Diese Bücher erklären das Thema gut. Und sie helfen Kindern, zu fühlen: Ich bin nicht allein.
Wir brauchen ein gutes Team
Wenn ein Kind trauert, ist das auch für uns Fachkräfte schwer. Manchmal weinen wir. Oder wir haben Angst, etwas falsch zu machen. Deshalb ist es wichtig, dass wir im Team darüber sprechen. Wir müssen uns gegenseitig unterstützen. Und wir müssen uns selbst Pausen nehmen. Auch das habe ich in der Fortbildung gelernt: Nur wenn ich für mich selbst sorge, kann ich für das Kind da sein.
Es ist auch wichtig, dass wir die Eltern nicht vergessen. Sie brauchen oft genauso Hilfe wie das Kind. Ich frage dann zum Beispiel: „Wie geht es Ihnen? Was braucht Ihr Kind jetzt besonders?“ Oder ich frage: „Möchten Sie, dass wir in der Gruppe darüber sprechen?“ Nur wenn wir gemeinsam sprechen, finden wir gute Wege.
Kinder brauchen uns
Wenn ein Kind jemanden verliert, braucht es uns mehr denn je. Es braucht unsere Ruhe. Unsere Ehrlichkeit. Und unsere Herzenswärme. Es braucht Orte, wo es traurig sein darf. Und Orte, wo es trotzdem lachen darf.
Ich habe gelernt: Wir müssen den Tod nicht verstecken. Wir müssen ihm einen Platz geben. Dann wird er weniger schrecklich. Dann können Kinder lernen, mit dem Schmerz zu leben. Und sie lernen, dass sie nicht allein sind.
Die Arbeit mit trauernden Kindern ist schwer. Aber sie ist auch wichtig. Denn wer ein Kind in seiner Trauer gut begleitet, gibt ihm ein Geschenk für das ganze Leben.
Hinweis für Fachkräfte:
Wenn du in einer Kita arbeitest, kannst du dich fortbilden. Es gibt Kurse und Schulungen. Zum Beispiel in der Sternbrücke in Hamburg. Oder bei anderen Hospizdiensten. Du musst diese Wege nicht allein gehen. Es gibt Hilfe. Und du darfst sie annehmen.