Ich bin Heilerziehungspfleger. Ich arbeite in einer Kita. Dort begleite ich Kinder, die besondere Unterstützung brauchen. Für viele Eltern und Kinder bin ich besonders wichtig. Ich bin der Bezugserzieher . Das bedeutet: Ich bin für dieses Kind und seine Eltern ein fester Ansprechpartner. Ich bleibe da, auch wenn sich vieles verändert. Genau darum geht es in diesem Text.
Ich möchte über Kinder mit Autismus schreiben. Autismus ist keine Krankheit. Autismus ist eine andere Art, die Welt zu sehen und zu fühlen. Ein Kind mit Autismus nimmt Geräusche, Bilder oder Berührungen oft anders wahr als andere Kinder. Es kann sein, dass es sich lieber allein beschäftigt. Oder dass es nicht gerne spricht. Oder dass es bestimmte Rituale braucht, also immer das Gleiche tun möchte. Manche Kinder mögen keine Veränderungen. Sie brauchen Sicherheit und eine klare Umgebung.
Wenn Kinder von der Krippe in die „Kitagruppe“ wechseln, nennt man das Übergang oder Umgewöhnung. Dieser Übergang ist für viele Kinder aufregend. Für Kinder mit Autismus ist er oft besonders schwierig. Denn es verändert sich sehr viel: andere Räume, andere Kinder, andere Erwachsene, andere Abläufe. Kinder mit Autismus spüren solche Veränderungen viel stärker. Deshalb brauchen sie mehr Zeit, mehr Vorbereitung und sehr viel Verlässlichkeit.
Viele Menschen glauben, man könne Autismus bei ganz kleinen Kindern noch nicht erkennen. Das stimmt auch ein bisschen. Eine sichere Diagnose, also eine ärztliche Feststellung, bekommt man meistens erst später. Aber erfahrene Pädagoginnen und Pädagogen sehen oft schon im Krippenalter, dass ein Kind anders auf die Welt reagiert. Sie merken: Dieses Kind spielt anders, es spricht weniger oder es reagiert sehr stark auf bestimmte Dinge. Das sind Hinweise. Hinweise sind Zeichen, auf die man achten sollte.
Wenn wir als Fachkräfte solche Hinweise sehen, dürfen wir sie nicht übersehen. Es wäre fahrlässig, also gefährlich und verantwortungslos, so zu tun, als wäre alles wie bei jedem anderen Kind. Dann würden wir das Kind mit seinen besonderen Bedürfnissen alleine lassen. Das wäre nicht nur traurig, das könnte dem Kind auch schaden. Denn Kinder mit Autismus brauchen von Anfang an Menschen, die sie verstehen. Menschen, die sie ernst nehmen. Menschen, die mit ihnen zusammen ihren Eltern und den Kollegen überlegen, wie der Übergang in die Kitagruppe gut gelingen kann.
In meiner Arbeit als Bezugserzieher beginne ich schon sehr früh damit, diesen Übergang vorzubereiten. Ich lerne das Kind kennen. Ich spreche mit den Eltern. Ich frage auch die Kolleginnen aus der Krippe, wie das Kind dort erlebt wurde. Denn sie haben das Kind schon lange begleitet. Sie wissen, was ihm guttut, was es nicht mag, und wie man mit ihm kommunizieren kann. Kommunizieren heißt: miteinander reden oder sich auf andere Weise verständigen.
Manche Kinder mit Autismus sprechen nicht oder nur sehr wenig. Dann kann man mit Bildern oder Handzeichen arbeiten. Oder man erkennt an ihrer Körpersprache, wie es ihnen geht. Körpersprache ist alles, was man durch Mimik, Bewegung oder Haltung ausdrückt, ohne zu sprechen. Als Bezugserzieher beobachte ich genau. Ich versuche herauszufinden: Was hilft dem Kind, sich sicher zu fühlen? Was braucht es, um sich wohlzufühlen?
Sehr wichtig ist, dass wir nichts überstürzen. Das Kind soll in seinem Tempo ankommen dürfen. Vielleicht bleibt es am Anfang nur eine Stunde in der neuen Gruppe. Vielleicht braucht es bestimmte Gegenstände aus der Krippe, die ihm vertraut sind. Vielleicht hilft es, wenn eine bekannte Fachkraft aus der Krippe für eine Weile mitkommt. All das bespreche ich mit dem Team, mit den Eltern und wenn möglich auch mit dem Kind. Es soll nicht über das Kind entschieden werden, sondern mit ihm.
Der neue Gruppenraum muss gut vorbereitet sein. Wenig Reiz. Reiz bedeutet alles, was laut, hell oder unruhig ist. Kinder mit Autismus brauchen oft ruhige, klare Umgebungen. Es hilft, wenn Dinge an ihrem Platz bleiben und Abläufe regelmäßig sind. Auch Rituale, also wiederkehrende Abläufe, geben Sicherheit. Zum Beispiel ein festes Begrüßungslied oder eine bestimmte Sitzordnung beim Frühstück.
Ganz wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit den Eltern. Eltern wissen sehr viel über ihr Kind. Sie können uns sagen, was zu Hause hilft. Vielleicht gibt es besondere Spiele, eine bestimmte Art, zu trösten oder eine gute Methode, um das Kind auf Neues vorzubereiten. Eltern sind keine Gäste, sondern Fachleute für ihr Kind. Ich arbeite eng mit ihnen zusammen. Ich halte sie auf dem Laufenden. Ich frage sie um Rat. Ich teile mit ihnen die Freude, wenn ihr Kind Fortschritte macht. Und ich spreche auch offen über Schwierigkeiten.
In unserer Gesellschaft wird oft gesagt: Alle Kinder sind gleich. Das klingt nett, ist aber falsch. Alle Kinder haben gleiche Rechte. Aber sie sind nicht gleich. Sie brauchen Verschiedenes, um gut leben und lernen zu können. Kinder mit Autismus brauchen besondere Aufmerksamkeit. Sie brauchen Schutzräume. Und sie brauchen Menschen, die verstehen, dass sie nicht anders sein wollen, sondern dass sie anders sind. Das ist ein Unterschied.
Als Heilerziehungspfleger sehe ich mich nicht als jemand, der „fördert“, sondern als jemand, der das Kind begleitet. Ich laufe nicht voran, um es irgendwohin zu ziehen. Ich laufe auch nicht hinterher, um es zu drängen. Ich gehe an seiner Seite. Ich passe mein Tempo an. Ich halte aus, wenn es langsam geht. Und ich freue mich, wenn wir zusammen kleine Schritte schaffen. Diese Schritte können für das Kind riesengroß sein.
Der Übergang von der Krippe in die Kitagruppe ist ein wichtiger Abschnitt. Für Kinder mit Autismus kann er gut gelingen – wenn wir ihnen zuhören, wenn wir vorbereitet sind, wenn wir Zeit haben, wenn wir verlässlich sind. Wenn wir das tun, was jedes Kind verdient: Gesehen werden. Verstanden werden. Angenommen werden.
Und genau dafür bin ich da. Jeden Tag. Als Bezugserzieher. Als Heilerziehungspfleger. Als Mensch.