In Deutschland, wo das Vertrauen in die Demokratie immer weiter sinkt, brauchen wir Menschen in Führungspositionen, die glaubwürdig sind. Menschen, die mit gutem Beispiel vorangehen. Menschen, die sich selbst an die Regeln halten, die sie von anderen verlangen. Julia Klöckner ist nicht so eine Person. Sie zeigt, dass man sich durchlavieren kann, lügen darf, Regeln brechen darf – solange man oben sitzt. Und genau das ist das Problem.
Julia Klöckner ist die Präsidentin des Deutschen Bundestages. Das heißt, sie ist nicht irgendeine Abgeordnete. Sie ist die oberste Aufpasserin im Parlament. Sie soll dafür sorgen, dass sich alle Abgeordneten an die Regeln halten. Vor allem an die Regeln zur Transparenz. Das heißt: Wer Geld nebenbei verdient oder wichtige Nebentätigkeiten macht, muss das schnell melden. Damit wir Bürger wissen, ob da vielleicht jemand nicht mehr für das Volk arbeitet, sondern für Firmen, Banken oder Lobbygruppen.
Aber genau das hat Julia Klöckner selbst nicht getan. Sie war Mitglied in einem exklusiven Lobbyclub. In einem Verein, der reichen Firmen verspricht, direkten Zugang zur Politik zu bekommen. Also direkten Zugang zu Entscheidungen, zu Einfluss, zu Macht. Solche Vereine sind gefährlich für unsere Demokratie. Denn dort werden Entscheidungen nicht im Parlament getroffen, sondern hinter verschlossenen Türen – mit Sektgläsern in der Hand.
Klöckner hätte diese Nebentätigkeit innerhalb von drei Monaten melden müssen. Das steht in den Regeln. Aber sie hat es über ein ganzes Jahr lang nicht getan. Erst als Journalisten sie direkt darauf ansprachen, kam das Thema überhaupt ans Licht. Und selbst dann hat sie herumgedruckst. Sie habe das nur „unentgeltlich“ gemacht, also ohne Bezahlung. Aber das spielt keine Rolle. Denn auch unbezahlte Tätigkeiten in solchen politischen Beraterkreisen müssen gemeldet werden. Weil es nicht ums Geld geht, sondern um Einfluss. Um Macht. Und um Ehrlichkeit.
Und hier zeigt sich das eigentliche Problem: Klöckner hätte eigentlich ein Ordnungsgeld zahlen müssen. Und ihre Tätigkeit hätte öffentlich in einem offiziellen Bericht stehen müssen. Aber nichts davon ist passiert. Die Regeln sagen klar, was bei einem schweren Verstoß passieren muss. Aber diese Regeln wurden einfach ignoriert. Es gab nur eine freundliche Ermahnung – wie bei einem Schüler, der im Unterricht getuschelt hat. Keine Konsequenzen. Kein Ordnungsgeld. Keine öffentliche Rüge.
Julia Klöckner hat die Regeln gebrochen. Und sie hat die Macht, diesen Bruch einfach verschwinden zu lassen. Das ist ein Skandal. Denn wenn ausgerechnet die Frau, die alle anderen kontrollieren soll, selbst nicht kontrolliert wird, dann verlieren wir als Gesellschaft jede Grundlage. Dann sagen wir: Die da oben dürfen machen, was sie wollen. Dann wird das Vertrauen zerstört – nicht von den Bürgern, sondern von denen, die oben sitzen.
Die Geschichte ist noch absurder. Denn Julia Klöckner muss als Bundestagspräsidentin ihre eigenen Nebentätigkeiten bei sich selbst melden. Das ist, als müsste man beim Schummeln in der Schule dem eigenen Spiegelbild Bescheid geben. Es gibt keine unabhängige Stelle, die das prüft. Kein Kontrollorgan, das außerhalb des Bundestags sitzt. Alles bleibt in der Hand der Parteien. Und das heißt auch: Wer mächtig ist, der schützt sich selbst.
Das ist nicht nur dumm organisiert. Das ist gefährlich. Denn Macht braucht Kontrolle. Und Kontrolle muss unabhängig sein. Wenn ein Kind Mist baut, muss es dafür gerade stehen. Wenn ein Bürger Regeln verletzt, muss er Strafe zahlen. Warum sollte das bei Politikerinnen anders sein? Warum wird jemand wie Julia Klöckner verschont? Warum dürfen manche Regeln einfach ignoriert werden, während wir anderen bei jeder Kleinigkeit zur Rechenschaft gezogen werden?
Diese Frau ist nicht nur Teil des Problems. Sie ist das Symbol für eine Politik, die sich über alles stellt. Über Anstand, über Gesetz, über Vertrauen. Sie ist nicht glaubwürdig. Sie ist nicht neutral. Und sie ist nicht geeignet, eine so wichtige Rolle im Parlament zu übernehmen. Denn wer die Regeln nicht ernst nimmt, hat in der obersten Aufsichtsfunktion nichts verloren.
Julia Klöckner hätte zurücktreten müssen. Sofort, als klar wurde, dass sie ihre Tätigkeit verschwiegen hat. Sie hätte sich entschuldigen müssen, öffentlich, und erklären, dass sie nicht länger die richtige Person für diesen Job ist. Aber sie hat genau das Gegenteil getan. Sie hat weitergemacht. Sie hat einen Bericht veröffentlicht, in dem sie Hunderte Verstöße gegen die Regeln aufzählt – ohne zu sagen, dass sie selbst dazugehört. Das ist heuchlerisch. Das ist ein Betrug an uns allen.
Eine Präsidentin, die so mit Verantwortung umgeht, ist gefährlich. Denn sie zeigt anderen: Regeln gelten nur für die Kleinen. Wer oben sitzt, darf sich selbst bedienen. Darf verschweigen. Darf lügen. Und das ist das Gegenteil von Demokratie.
Ich sage es klar: Julia Klöckner ist charakterlich ungeeignet für diesen Job. Sie hat bewiesen, dass sie Macht für sich nutzt – nicht für das Volk. Sie hat bewiesen, dass ihr Transparenz nur dann wichtig ist, wenn es sie selbst nicht betrifft. Und sie hat bewiesen, dass sie nicht zurücktritt, selbst wenn es das einzig Richtige wäre.
Eine Demokratie braucht Vorbilder. Keine Trickserinnen. Keine Lügnerinnen. Und ganz sicher keine Präsidentin, die sich selbst kontrollieren soll – aber lieber beide Augen zudrückt. Für sich selbst. Und für ihre Freunde.