Ableismus oder doch „nur“ Behindertenfeindlich?

Viele Menschen denken, sie behandeln alle Menschen gleich. Sie glauben, sie sind höflich, gerecht und hilfsbereit. Aber oft passiert etwas, das viele nicht merken: Menschen mit Behinderung werden ausgeschlossen. Nicht mit Absicht. Aber trotzdem. Das nennt man Ableismus. Dieses Wort klingt kompliziert. Aber was es bedeutet, betrifft uns alle.

In diesem Text erkläre ich, was Ableismus ist. Ich erzähle, wie er aussieht. Ich beschreibe, wie er sich anfühlt. Und ich zeige, was wir dagegen tun können. Ich schreibe in sehr einfacher Sprache. Damit jede Person mitlesen kann. Auch Menschen, die sonst Texte schwer verstehen. Auch Menschen, die gerade erst Deutsch lernen. Auch Kinder.

Denn: Ableismus ist kein Problem von Einzelnen. Es ist ein Problem in der ganzen Gesellschaft. Und wir alle können etwas verändern. Wenn wir lernen, genau hinzusehen. Wenn wir zuhören. Und wenn wir aufhören, Menschen nach dem zu beurteilen, was sie nicht können.

Dieser Text ist eine Einladung. Eine Einladung, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Und gemeinsam besser zu machen.

Was ist Ableismus eigentlich?

Das Wort „Ableismus“ klingt erst einmal fremd. Es ist nicht leicht auszusprechen. Und viele Menschen wissen nicht, was es bedeutet. Deshalb erkläre ich das jetzt ganz genau.

Das Wort kommt aus der englischen Sprache. Es wird aus zwei Teilen zusammengesetzt. Das erste Wort ist „able“. Das heißt auf Deutsch: „fähig“ oder „können“. Der zweite Teil ist „-ismus“. Das kennst du vielleicht aus anderen Wörtern wie „Rassismus“ oder „Sexismus“. Es zeigt an, dass eine bestimmte Denkweise gemeint ist. Also: „Ableismus“ ist die Denkweise, dass Menschen unterschiedlich viel wert sind, je nachdem, was sie können – oder eben nicht können.

Viele Menschen glauben, sie behandeln alle gleich. Aber das stimmt oft nicht. Menschen, die gut laufen können, die gut sehen oder hören können, werden oft als „normal“ gesehen. Und alle, die das nicht können, gelten als „nicht normal“. Das passiert nicht immer mit Absicht. Aber es passiert sehr oft.

Ableismus bedeutet also: Menschen werden schlecht behandelt, nur weil sie bestimmte Dinge nicht können. Das kann sein, dass sie nicht sehen können. Oder dass sie einen Rollstuhl benutzen. Oder dass sie eine Krankheit haben, die man nicht sieht. Oder dass sie anders sprechen. All das führt oft dazu, dass diese Menschen ausgegrenzt werden. Sie dürfen bei vielen Dingen nicht mitmachen. Oder sie müssen sich erst erklären. Oder sie werden nicht ernst genommen.

Viele Menschen denken dabei nur an direkte Beleidigungen. Zum Beispiel, wenn jemand absichtlich einen Menschen mit Behinderung auslacht oder beschimpft. Das ist natürlich auch schlimm. Aber Ableismus ist noch viel mehr. Er beginnt oft viel früher. Er steckt in ganz normalen Situationen. In den Gebäuden. In der Sprache. In der Art, wie wir über andere reden.

Ein Beispiel: Wenn ein neues Haus gebaut wird und dort gibt es nur eine Treppe und keinen Aufzug, dann denken viele: „Das ist doch kein Problem.“ Aber für Menschen, die nicht laufen können, ist es ein großes Problem. Sie können das Haus dann gar nicht benutzen. Das ist Ableismus. Denn es wurde nicht mitgedacht, dass nicht alle Menschen Treppen steigen können.

Ein anderes Beispiel: Wenn im Fernsehen immer nur gesunde Menschen gezeigt werden und nie jemand mit einer sichtbaren Behinderung, dann denken viele Kinder: „So muss man aussehen, um richtig zu sein.“ Menschen mit Behinderung kommen nicht vor. Das ist Ableismus.

Ableismus kann auch in der Sprache stecken. Wenn jemand sagt: „Der ist total lahm“ oder „Du benimmst dich wie ein Krüppel“, dann ist das nicht nur unhöflich. Es zeigt, dass Menschen mit Behinderung als etwas Schlechtes gesehen werden. Auch Witze über „Behinderte“ gehören dazu. Oder wenn man Wörter benutzt, die Behinderung gleichsetzen mit etwas Dummem, Langsamem oder Schwachem.

Ableismus ist also ein Problem, das in vielen Bereichen vorkommt. Es geht nicht nur darum, dass einzelne Menschen sich schlecht benehmen. Es geht um die ganze Gesellschaft. Es geht darum, wie Regeln gemacht werden. Wie Gebäude gebaut werden. Wie Gesetze geschrieben werden. Und wie über andere gesprochen wird.

Menschen mit Behinderungen sind keine Ausnahme. Sie sind Teil dieser Gesellschaft. Genau wie alle anderen auch. Doch Ableismus sorgt dafür, dass viele von ihnen nicht mitmachen dürfen. Sie werden ausgeschlossen. Nicht, weil sie etwas falsch machen. Sondern weil andere sie übersehen. Oder weil niemand gefragt hat, was sie brauchen.

Deshalb ist es wichtig, das Wort „Ableismus“ zu kennen. Es hilft uns, die Dinge besser zu verstehen. Es hilft uns, nicht nur einzelne böse Taten zu sehen, sondern ein ganzes System, das unfair ist. Wer das erkennt, kann anfangen, etwas zu ändern.

Niemand muss perfekt sein. Und niemand weiß alles. Aber wenn wir wissen, was Ableismus ist, können wir ihn erkennen. Und wir können etwas dagegen tun. Schon das ist ein Anfang.

Warum viele Menschen gar nicht merken, dass sie ableistisch handeln

Viele Menschen denken: „Ich bin nett. Ich bin hilfsbereit. Ich bin nicht gemein zu Menschen mit Behinderung.“ Das ist auch gut. Aber trotzdem kann es sein, dass sie sich manchmal ableistisch verhalten. Und sie merken es gar nicht. Warum ist das so?

Die Antwort ist einfach, aber auch traurig. Wir alle wachsen in einer Welt auf, in der Menschen mit Behinderung oft nicht vorkommen. In der Schule lernen wir kaum etwas über sie. In vielen Filmen sieht man nur gesunde Menschen. Auf Werbeplakaten sind immer nur Menschen, die lächeln und laufen können. In der Zeitung geht es fast nie um Menschen mit Behinderung. Wenn sie doch mal vorkommen, dann oft nur als traurige Geschichten. Oder als „Helden“, die zeigen sollen, wie „toll“ sie trotz Behinderung leben. Aber nie einfach als ganz normale Menschen mit einem ganz normalen Alltag.

Weil das so ist, merken viele Menschen nicht, dass sie Vorurteile haben. Ein Vorurteil ist ein Gedanke über andere Menschen, der nicht stimmt, aber trotzdem im Kopf bleibt. So ein Gedanke könnte zum Beispiel sein: „Menschen im Rollstuhl sind traurig.“ Oder: „Blinde Menschen können vieles nicht.“ Oder: „Wer krank ist, muss sich ausruhen und darf nicht mitreden.“ Das sind alles falsche Gedanken. Aber viele Menschen denken sie trotzdem. Nicht mit Absicht. Sondern, weil sie es so gelernt haben. Weil sie es überall sehen und hören.

Ein anderes Problem ist: Viele Menschen glauben, dass alle anderen so leben wie sie selbst. Dass alle laufen können. Dass alle hören. Dass alle verstehen, was auf einem Schild steht. Dass alle wissen, wie man einen Fahrkartenautomaten bedient. Dass alle eine Treppe steigen können. Und wenn jemand das nicht kann, dann sagen sie: „Stell dich nicht so an.“ Oder: „Das geht schon, wenn du dich nur genug anstrengst.“ Oder: „Du siehst doch ganz normal aus.“ Das ist ableistisch. Denn es tut so, als ob der Mensch selbst schuld wäre. Dabei liegt der Fehler oft im System – also in der Art, wie die Welt gebaut und organisiert ist.

Viele Menschen wollen nichts Böses sagen. Sie denken, ihre Worte machen Mut. Aber sie machen oft das Gegenteil. Wenn jemand sagt: „Was dich nicht umbringt, macht dich stärker“, dann klingt das vielleicht nett. Aber für jemanden, der jeden Tag mit Schmerzen lebt, ist das verletzend. Denn dieser Satz sagt: „Du musst das aushalten. Du darfst nicht traurig sein. Du darfst nicht sagen, dass es schwer ist.“ Und das ist unfair.

Es gibt auch viele Redensarten, die wir jeden Tag sagen. „Ich gehe mal schnell einkaufen.“ Oder: „Ich sehe das so.“ Oder: „Das ist doch lahm.“ Diese Sätze sagen wir ohne nachzudenken. Aber sie zeigen: Wir stellen bestimmte Arten zu leben als „normal“ dar. Alles andere erscheint komisch oder falsch. Menschen, die nicht gehen oder sehen können, werden dadurch ausgeschlossen. Nicht absichtlich. Aber es passiert trotzdem.

Das Schwierige an Ableismus ist: Er fühlt sich für die eine Person normal an. Für die andere Person ist er ein Problem. Der Mensch, der ableistisch spricht oder handelt, meint es oft nicht böse. Aber der Mensch, der es erlebt, wird verletzt. Und das macht Ableismus so schwer zu erkennen. Denn niemand möchte hören, dass er etwas falsch gemacht hat. Schon gar nicht, wenn es gut gemeint war.

Aber: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Wenn ich jemandem auf den Fuß trete, dann hilft es nicht, zu sagen: „Ich wollte das doch nicht.“ Der Fuß tut trotzdem weh. Also muss ich sagen: „Es tut mir leid. Ich werde besser aufpassen.“ Und genau so ist es auch mit Ableismus.

Viele Menschen glauben, sie müssten sich nicht ändern. Sie sagen: „So bin ich eben.“ Oder: „Man darf ja gar nichts mehr sagen.“ Aber das stimmt nicht. Man darf viel sagen. Nur sollte man vorher kurz überlegen: Könnte das andere Menschen verletzen? Wenn ja, kann ich es anders sagen.

Ableismus aufzudecken heißt nicht, jemanden zu beschimpfen. Es heißt: Die Wahrheit sagen. Damit sich etwas ändern kann. Damit niemand mehr sagen muss: „Ich fühle mich ausgeschlossen.“ Wenn wir alle ein bisschen besser zuhören und hinsehen, dann können wir lernen, wann wir ungewollt ableistisch sind. Und dann können wir es besser machen.

Niemand ist perfekt. Und niemand wird alles richtig machen. Aber es ist ein Anfang, wenn man merkt: „Oh, das war vielleicht nicht gut.“ Dann kann man sagen: „Tut mir leid.“ Und es beim nächsten Mal anders machen. So entsteht eine Gesellschaft, in der alle mitmachen können. Und niemand sich klein fühlen muss.

Was ist eigentlich eine Barriere?

Das Wort „Barriere“ hört man oft, wenn es um Menschen mit Behinderung geht. Aber viele wissen nicht genau, was das eigentlich bedeutet. Deshalb erkläre ich es jetzt.

Eine Barriere ist etwas, das den Weg versperrt. Das kann ganz einfach eine Treppe sein. Wenn du im Rollstuhl sitzt oder auf einen Rollator angewiesen bist, ist eine Treppe eine große Hürde. Du kommst dann nicht weiter. Du brauchst Hilfe oder musst draußen bleiben. Für Menschen, die laufen können, ist die Treppe kein Problem. Sie sehen sie oft nicht mal als Hindernis. Aber für andere ist sie ein echtes Problem. Genau das ist eine Barriere.

Aber es gibt noch viel mehr Barrieren. Manche sieht man nicht sofort. Es gibt zum Beispiel Barrieren in der Sprache. Wenn jemand eine schwere Sprache benutzt, mit vielen Fremdwörtern, dann verstehen viele Menschen das nicht. Auch Menschen mit Lernschwierigkeiten. Oder Menschen, die gerade Deutsch lernen. Oder Menschen, die gerade sehr krank oder müde sind. Für sie ist diese Sprache eine Barriere.

Auch im Internet gibt es Barrieren. Wenn eine Webseite nicht so gebaut ist, dass sie von einem Blinden gelesen werden kann, dann ist das eine Barriere. Auch wenn Videos keinen Text oder keine Gebärdensprache haben, dann sind sie für viele Menschen nicht zugänglich. Das heißt: Sie können diese Videos nicht verstehen oder benutzen. Und damit werden sie ausgeschlossen.

Es gibt auch Barrieren in Formularen. Wenn ein Amt ein sehr schweres Formular verschickt, mit vielen kleinen Kästchen und unklaren Fragen, dann ist das eine Barriere. Vor allem für Menschen, die nicht gut lesen können. Oder für Menschen mit einer Sehbehinderung. Oder für Menschen, die sich schnell überfordert fühlen.

Auch in Gesprächen kann es Barrieren geben. Zum Beispiel, wenn Menschen über eine Person mit Behinderung sprechen, während sie daneben sitzt. Und sie gar nicht fragen oder anschauen. Dann ist das auch eine Barriere. Denn die Person wird nicht ernst genommen. Sie darf nicht selbst sprechen.

Manchmal sind Barrieren auch einfach Gedanken im Kopf. Wenn jemand denkt: „Behinderte Menschen sind traurig.“ Oder: „Die brauchen Mitleid.“ Dann ist das auch eine Barriere. Denn dieser Gedanke verhindert, dass man sich begegnet. Er verhindert, dass man den Menschen wirklich sieht.

Viele Barrieren entstehen, weil Menschen mit Behinderung nicht mitgedacht werden. Weil niemand fragt: „Wie kommt jemand mit Rollstuhl eigentlich in das Haus?“ Oder: „Kann jemand mit Hörgeräten verstehen, was bei dieser Veranstaltung gesagt wird?“ Oder: „Wie könnte jemand, der anders lernt, das besser verstehen?“ Wenn diese Fragen nicht gestellt werden, entstehen Barrieren.

Und oft ist es gar nicht so schwer, eine Barriere wegzumachen. Manchmal reicht es, eine Rampe zu bauen. Oder einen Knopf so zu gestalten, dass man ihn tasten kann. Oder eine Veranstaltung mit Untertiteln zu zeigen. Oder einfach zu sagen: „Ich erkläre das nochmal einfacher.“

Aber um das zu tun, muss man erst einmal erkennen, dass es ein Problem gibt. Das ist der erste Schritt. Man muss sehen, dass die Welt für viele Menschen voller Hindernisse ist. Und man muss bereit sein, etwas daran zu ändern.

Barrieren sagen nicht: „Du bist nicht willkommen.“ Aber sie wirken so. Wenn du nicht in ein Gebäude kommst, fühlst du dich ausgeschlossen. Wenn du eine Information nicht verstehen kannst, fühlst du dich allein gelassen. Wenn niemand mit dir redet, fühlst du dich wertlos.

Das muss nicht so sein. Es ist nicht schwer, mit anderen Menschen zu sprechen. Es ist nicht schwer, zuzuhören. Es ist nicht schwer, ein Schild lesbar zu machen oder einen Knopf umzubauen. Aber es braucht den Willen. Und es braucht das Wissen: Barrieren sind nicht das Problem der behinderten Menschen. Sie sind das Problem der Gesellschaft.

Menschen mit Behinderung haben keine Barriere mitgebracht. Die Barriere ist da, weil niemand daran gedacht hat, dass sie kommen könnten. Weil niemand gefragt hat: „Was braucht ihr?“ Oder weil man dachte: „Die sind ja eh nicht dabei.“

Aber das ist falsch. Alle Menschen sind ein Teil der Gesellschaft. Und die Gesellschaft muss für alle da sein. Eine Barriere trennt. Sie sagt: „Du darfst nicht rein.“ Oder: „Du bist nicht gemeint.“ Wenn wir Barrieren abbauen, sagen wir: „Du gehörst dazu.“ Und das ist der wichtigste Schritt zu echter Gerechtigkeit.

Warum Sprache wichtig ist

Sprache ist das, was wir sagen. Sprache ist auch das, was wir schreiben. Mit Sprache erzählen wir, was wir denken. Mit Sprache zeigen wir, wie wir fühlen. Sprache ist also mehr als nur Wörter. Sprache ist ein Werkzeug. Und dieses Werkzeug kann helfen. Aber es kann auch verletzen.

Manchmal sagen Menschen Dinge, ohne nachzudenken. Sie sagen Sätze, die sie schon oft gehört haben. Oder sie wiederholen Wörter, die alle sagen. Und manchmal merken sie gar nicht, dass diese Sätze oder Wörter weh tun können.

Ein Beispiel ist der Satz: „Ich sehe das anders.“ Oder: „Ich habe einen blinden Fleck.“ Oder: „Das ist ja total behindert.“ Diese Sätze sagen viele Menschen im Alltag. Sie meinen es oft nicht böse. Aber sie zeigen etwas: Dass bestimmte Wörter wie „blind“ oder „behindert“ mit etwas Negativem verbunden werden. Wenn man sagt: „Ich habe einen blinden Fleck“, meint man: „Ich habe etwas übersehen.“ Das klingt so, als sei „blind sein“ gleichbedeutend mit „etwas nicht sehen wollen“ oder „etwas nicht verstehen“. Das ist falsch. Und es kann Menschen, die blind sind, sehr verletzen.

Oder wenn jemand sagt: „Das ist ja behindert!“, um zu sagen, dass etwas schlecht oder dumm ist. Dann macht das das Wort „behindert“ zu einem Schimpfwort. Es ist dann plötzlich etwas, das man nicht sein will. Das ist unfair. Denn „behindert“ ist kein Schimpfwort. Es ist einfach ein Wort für eine Lebenssituation. So wie „groß“ oder „klein“. Es beschreibt etwas. Aber es ist nichts Schlechtes.

Die Sprache formt unsere Gedanken. Wenn wir immer hören, dass „blind“ oder „lahm“ oder „behindert“ etwas Schlechtes ist, dann fangen wir an, das zu glauben. Und dann behandeln wir Menschen, die wirklich blind sind oder nicht laufen können oder eine Behinderung haben, auch anders. Vielleicht nicht mit Absicht. Aber es passiert.

Ein weiteres Beispiel ist das Wort „normal“. Viele Menschen sagen: „Ich bin normal.“ Oder: „Das ist doch nicht normal.“ Aber was heißt eigentlich „normal“? Wer entscheidet, was normal ist? Und was ist dann „nicht normal“? Wenn wir sagen: „Du bist nicht normal“, dann schließen wir jemanden aus. Wir sagen: „Du passt hier nicht rein.“ Das ist verletzend.

Sprache kann auch helfen. Wenn wir gute Wörter benutzen. Wenn wir ehrlich sprechen. Wenn wir sagen: „Was meinst du?“ Oder: „Wie kann ich dich gut ansprechen?“ Dann öffnen wir Türen. Dann zeigen wir: „Ich sehe dich. Ich will dich verstehen.“

Viele Menschen sagen: „Man darf ja gar nichts mehr sagen.“ Das stimmt nicht. Man darf alles sagen. Aber man sollte vorher überlegen: Ist das freundlich? Ist das gerecht? Tut das jemandem weh? Wenn ja, dann kann man andere Worte wählen. Das ist keine Zensur. Das ist Respekt.

Manche Wörter sind schwierig. Aber das ist okay. Wir können lernen, besser zu sprechen. Niemand ist perfekt. Aber wer übt, wird besser. Manchmal hilft es, sich selbst zuzuhören. Oder andere zu fragen: „War das okay, was ich gesagt habe?“ Oder einfach mal still zu sein und zuzuhören.

Wenn wir unsere Sprache ändern, ändern wir auch unsere Sicht auf die Welt. Wir sehen andere Menschen anders. Wir merken: Jeder Mensch ist wertvoll. Jeder Mensch verdient Respekt.

Manche Menschen sagen: „Aber blinde Menschen sagen doch selbst ‚Wir sehen uns‘.“ Das stimmt. Viele tun das. Und das ist auch in Ordnung. Es geht nicht darum, jedes Wort zu verbieten. Es geht darum, aufmerksam zu sein. Und zu merken: Wann verletze ich jemanden? Wann mache ich jemandem das Leben schwer?

Es gibt kein Lexikon, in dem alle „richtigen“ Wörter stehen. Aber es gibt Herz und Verstand. Und wer beides benutzt, der spricht automatisch besser. Sprache ist wie ein Fenster. Wenn es sauber ist, kann man gut hinausgucken. Wenn es schmutzig ist, sieht man alles falsch. Deshalb sollten wir unsere Sprache pflegen. Damit alle Menschen darin vorkommen. Und sich verstanden fühlen.

Unsichtbare Behinderungen – wenn man nichts sieht, aber viel spürt

Manche Menschen denken: Eine Behinderung sieht man immer. Zum Beispiel, wenn jemand einen Rollstuhl benutzt. Oder wenn jemand eine Gehhilfe braucht. Oder ein Hörgerät. Doch das stimmt nicht. Es gibt auch viele Behinderungen, die man nicht sehen kann. Sie sind unsichtbar. Aber sie sind trotzdem da. Und sie können das Leben sehr schwer machen.

Manche Menschen haben zum Beispiel eine Krankheit, die nicht von außen sichtbar ist. Sie haben starke Schmerzen im Körper. Oder sie sind sehr schnell erschöpft. Oder ihr Gehirn arbeitet anders als bei anderen. Oder sie haben eine Angst, die man nicht sieht. Oder eine Krankheit im Magen. Oder im Herz. Oder sie hören zwar, aber nicht gut. Oder sie sehen, aber nicht scharf.

Diese Menschen sehen oft aus wie alle anderen. Und genau das ist das Problem. Denn viele Leute glauben nur das, was sie sehen. Wenn jemand freundlich lacht, dann denken sie: „Der kann ja nicht krank sein.“ Oder: „Die sieht doch fit aus.“ Oder: „Der wirkt doch ganz normal.“

Und dann sagen sie Sätze wie: „Du siehst doch gar nicht krank aus.“ Oder: „Du bist doch jung, reiß dich zusammen.“ Oder: „Das bildest du dir ein.“ Oder auch: „Das geht schon wieder weg.“ Das alles sind Sätze, die weh tun. Sie sagen: „Ich glaube dir nicht.“ Und: „Du bist schwach.“ Oder sogar: „Du willst nur Aufmerksamkeit.“

Aber die Wahrheit ist: Wer eine unsichtbare Behinderung hat, kämpft oft doppelt. Erstens mit dem eigenen Körper oder Geist. Und zweitens mit der Gesellschaft, die nicht glaubt, dass da etwas ist. Viele Menschen mit unsichtbaren Behinderungen müssen sich ständig erklären. Sie müssen beweisen, dass es ihnen schlecht geht. Sie müssen Arztbriefe zeigen. Oder sich rechtfertigen, warum sie nicht arbeiten können. Oder warum sie bestimmte Dinge nicht schaffen.

Das ist sehr anstrengend. Es macht müde. Und es kann auch traurig machen. Denn niemand will immer nur erklären müssen, dass man wirklich leidet. Niemand will das Gefühl haben, nicht geglaubt zu werden.

Viele Menschen mit unsichtbaren Behinderungen hören Sprüche wie: „Du musst dich nur zusammenreißen.“ Oder: „Geh mal an die frische Luft, dann wird’s besser.“ Oder: „So schlimm kann das nicht sein.“ Solche Sprüche machen alles noch schlimmer. Denn sie tun so, als könnte man einfach selbst entscheiden, ob es einem gut geht. Dabei ist es oft eine Krankheit, die das bestimmt. Und gegen die hilft kein Spaziergang.

Ein weiteres Problem ist: Manche Menschen mit unsichtbaren Behinderungen sehen an manchen Tagen gesund aus. Und an anderen Tagen geht es ihnen schlecht. Das nennt man: Eine Krankheit mit „guten“ und „schlechten“ Tagen. An den guten Tagen können sie vielleicht einkaufen gehen oder spazieren. An den schlechten Tagen liegen sie im Bett. Aber viele Menschen verstehen das nicht. Sie denken: „Gestern ging es doch noch. Heute stellt er sich bestimmt nur an.“

Aber so einfach ist das nicht. Der Körper ist nicht jeden Tag gleich. Und viele Krankheiten machen das Leben unberechenbar. Man kann sich nicht darauf verlassen, wie man sich fühlt. Es kann sich plötzlich ändern. Und das ist schwer – vor allem, wenn andere das nicht verstehen wollen.

Es ist wichtig, dass wir lernen, auch das zu sehen, was man nicht sofort mit den Augen sieht. Dass wir zuhören, wenn jemand sagt: „Ich schaffe das heute nicht.“ Dass wir nicht sagen: „Du siehst doch fit aus.“ Sondern fragen: „Was brauchst du?“ Oder: „Wie kann ich helfen?“

Menschen mit unsichtbaren Behinderungen sind nicht schwach. Sie sind oft sehr stark. Denn sie kämpfen – jeden Tag. Sie kämpfen gegen Schmerzen, gegen Erschöpfung, gegen Zweifel. Und oft kämpfen sie auch gegen Vorurteile.

Sie wollen nicht bemitleidet werden. Sie wollen einfach ernst genommen werden. So wie jeder Mensch. Sie wollen dazugehören. So wie jeder Mensch. Und sie wollen nicht erklären müssen, warum es ihnen schlecht geht. Denn das ist schon schwer genug.

Wenn du also das nächste Mal jemanden triffst, der anders wirkt, der müde ist, traurig, verwirrt oder unsicher – dann denk daran: Vielleicht kämpft dieser Mensch gerade mit etwas, das du nicht sehen kannst. Und vielleicht ist deine Freundlichkeit genau das, was er oder sie gerade braucht.

Der Rollstuhl als Freiheit – warum Hilfsmittel kein Mangel sind

Viele Menschen denken, ein Rollstuhl ist etwas Schlimmes. Sie glauben, wer im Rollstuhl sitzt, ist arm dran. Oder traurig. Oder hilflos. Manche sagen sogar: „Ich hoffe, dass ich nie so enden muss.“ Das ist ein schlimmer Satz. Und er zeigt, dass viele Menschen nicht verstanden haben, was ein Rollstuhl wirklich ist.

Ein Rollstuhl ist kein Gefängnis. Er ist ein Werkzeug. Er hilft einem Menschen, sich zu bewegen. Er macht Dinge möglich. Ein Rollstuhl ist also nicht das Problem. Das Problem ist die Treppe, die keine Rampe hat. Oder das Haus ohne Aufzug. Oder die Straße ohne abgesenkten Bordstein. Nicht der Rollstuhl ist schuld, wenn jemand nicht weiterkommt – sondern die Umgebung, die nicht mitgedacht wurde.

Für viele Menschen bedeutet ein Rollstuhl Freiheit. Denn ohne ihn könnten sie nicht rausgehen. Sie könnten nicht einkaufen. Oder Freunde besuchen. Oder zur Schule oder zur Arbeit fahren. Mit dem Rollstuhl geht das alles. Er macht das Leben leichter. Er gibt Sicherheit. Er gibt Bewegung. Und manchmal auch Mut.

Andere Menschen haben andere Hilfsmittel. Zum Beispiel einen Blindenstock. Oder ein Hörgerät. Oder eine Sprachhilfe. Oder ein Auto, das man mit den Händen steuern kann. Oder einen Rollator. All diese Dinge sind Hilfsmittel. Sie helfen. Sie machen das Leben besser. Sie machen Teilhabe möglich.

Aber viele Leute schauen komisch, wenn sie so etwas sehen. Manche starren. Manche flüstern. Manche machen sogar Witze. Das ist nicht nur unhöflich. Das zeigt auch, wie wenig Respekt manche Menschen haben. Denn niemand macht sich freiwillig von einem Hilfsmittel abhängig. Aber es ist auch nichts Schlechtes. Es ist einfach ein Teil des Lebens. So wie ein Regenschirm bei Regen. Oder eine Brille bei Sehschwäche.

Hilfsmittel sagen nicht: „Ich bin schwach.“ Sie sagen: „Ich nehme mein Leben in die Hand.“ Sie zeigen: „Ich will selbst entscheiden, wo ich hingehe und wie ich lebe.“ Und genau das ist doch etwas Gutes.

Viele Menschen haben Angst, Hilfsmittel zu brauchen. Sie denken: „Dann bin ich nicht mehr normal.“ Oder: „Dann bin ich ein Pflegefall.“ Aber das stimmt nicht. Hilfsmittel machen Menschen stark. Sie machen sie unabhängig. Und sie sind ein Zeichen von Mut – nicht von Schwäche.

Das Problem ist nicht der Rollstuhl. Das Problem ist die Treppe ohne Rampe. Oder das Büro ohne Aufzug. Oder der Bus ohne Platz für den Rollstuhl. Wenn die Umgebung barrierefrei wäre, wäre der Rollstuhl kein Thema. Dann würde niemand darüber reden. Dann wäre es einfach normal.

Wir müssen aufhören zu denken, dass nur Menschen ohne Hilfsmittel „richtig“ sind. Denn das ist falsch. Jeder Mensch ist richtig. Jeder Mensch ist wertvoll. Egal, wie er sich bewegt, spricht, hört oder sieht.

Wenn wir das verstehen, ändert sich alles. Dann sehen wir nicht mehr den Rollstuhl – wir sehen den Menschen darin. Dann sehen wir nicht mehr das Hilfsmittel – wir sehen die Freiheit, die es bringt. Und dann hören wir auf zu urteilen. Und fangen an zuzuhören.

Ein Mensch mit Rollstuhl ist nicht am Ende. Er ist unterwegs. Genau wie alle anderen.

Wie fühlt sich Ableismus an? – Beispiele aus dem Alltag

Ableismus ist nicht nur ein schweres Wort. Es ist etwas, das viele Menschen mit Behinderung jeden Tag erleben. Es ist wie eine Mauer, die immer wieder vor ihnen auftaucht. Und es ist ein Gefühl, das sich schwer erklären lässt – wenn man es nicht selbst erlebt hat.

Ableismus fühlt sich an wie Ausschluss. Zum Beispiel: Eine Gruppe geht in ein Café. Alle freuen sich. Doch dann merken sie, dass das Café nur eine Treppe hat. Keine Rampe. Keine Klingel. Kein Zugang für einen Rollstuhl. Die Person im Rollstuhl kann nicht mit rein. Die anderen gehen trotzdem. Und sagen: „Das ist jetzt halt so.“ Für die eine Person ist das ein ganz klarer Ausschluss. Sie sitzt draußen und fühlt sich allein.

Ableismus fühlt sich auch an wie Misstrauen. Zum Beispiel: Jemand hat starke Schmerzen, aber man sieht es nicht. Eine sogenannte „unsichtbare“ Behinderung. Diese Person bittet um Hilfe. Vielleicht um einen Sitzplatz. Oder um eine Pause bei der Arbeit. Dann sagen andere: „Du siehst doch gesund aus.“ Oder: „Stell dich nicht so an.“ Das ist Ableismus. Denn das bedeutet: „Ich glaube dir nicht.“ Und das ist wie ein Schlag ins Gesicht.

Ableismus fühlt sich auch an wie übergangen werden. Zum Beispiel: Jemand geht mit Assistenz einkaufen. Die Assistenz hilft beim Tragen und beim Reden. Die Verkäuferin spricht aber nur mit der Assistenz. Und nicht mit der Person, die eigentlich einkauft. Sie tut so, als wäre die Person unsichtbar. Das passiert oft. Menschen mit Behinderung werden dann wie Kinder behandelt. Oder wie Möbelstücke. Das tut weh.

Ableismus kann auch so aussehen: Zwei Menschen mit Behinderung gehen zusammen spazieren. Eine Person sitzt im Rollstuhl. Die andere hat eine Krankheit, die man nicht sieht. Die im Rollstuhl wird angestarrt. Oder bemitleidet. Die andere wird nicht beachtet. Wenn sie Hilfe braucht, wird sie nicht ernst genommen. Die Leute sagen: „Du kannst doch alles.“ Aber beide erleben Ableismus – auf unterschiedliche Weise. Die eine, weil man zu viel sieht. Die andere, weil man zu wenig sieht.

Ableismus passiert auch in der Schule. Kinder mit Behinderung werden oft in eigene Gruppen gesteckt. Oder sie bekommen keine Hilfe, obwohl sie welche brauchen. Oder sie dürfen nicht mit auf Klassenfahrt, weil das „zu kompliziert“ ist. Sie hören dann: „Du störst den Ablauf.“ Oder: „Wir haben kein Geld für dich.“ Das ist Ableismus. Und das kann sehr einsam machen.

Ableismus passiert auch bei der Arbeit. Manche Chefs wollen keine Menschen mit Behinderung einstellen. Sie sagen dann: „Das ist zu aufwendig.“ Oder: „Das kann die Person eh nicht.“ Andere bekommen weniger Lohn, obwohl sie genauso viel leisten. Oder sie werden nicht befördert, obwohl sie gute Arbeit machen. Auch das ist Ableismus.

Ableismus passiert sogar in der Familie. Wenn Eltern entscheiden, was das Kind mit Behinderung anziehen soll. Oder wann es ins Bett geht. Obwohl das Kind das selbst sagen könnte. Oder wenn Menschen mit Behinderung nicht gefragt werden, ob sie heiraten oder Kinder haben wollen. Viele glauben: „Das geht bei denen ja eh nicht.“ Aber das ist falsch. Und das ist Ableismus.

Manchmal ist Ableismus laut. Dann wird gelacht. Oder beleidigt. Oder geschubst. Aber oft ist er leise. Man wird vergessen. Nicht eingeladen. Nicht ernst genommen. Nicht gesehen. Das tut nicht weniger weh. Man fühlt sich klein. Man fühlt sich falsch. Man fragt sich: „Bin ich überhaupt gewollt?“

Und das Schlimmste ist: Viele Menschen merken nicht einmal, dass sie ableistisch sind. Sie sagen: „Ich meine es doch nur gut.“ Oder: „Ich helfe doch nur.“ Oder: „Ich weiß es eben besser.“ Aber sie fragen nicht. Sie hören nicht zu. Sie entscheiden über andere hinweg. Und sie lassen die betroffenen Menschen allein mit ihren Gefühlen.

Ableismus fühlt sich also an wie ein ständiges Hindernis. Ein Hindernis, das nicht nur im Kopf ist. Sondern im ganzen Leben. Es kann einem die Lust am Mitmachen nehmen. Die Freude. Den Mut. Und oft auch das Vertrauen in andere Menschen.

Aber Ableismus kann auch überwunden werden. Wenn wir lernen, besser hinzusehen. Wenn wir lernen, zuzuhören. Wenn wir aufhören zu urteilen. Und wenn wir fragen: „Was brauchst du?“ Dann kann etwas Neues beginnen. Dann kann aus Ausgrenzung echte Begegnung werden. Und aus Einsamkeit Zusammenhalt.

Was bedeutet „interne Diskriminierung“? – Wenn man selbst glaubt, weniger wert zu sein

Es gibt eine besondere Form von Ableismus. Man nennt sie „interne Diskriminierung“. Das ist ein sehr schweres Wort. Ich erkläre es jetzt ganz einfach.

„Intern“ bedeutet: innen drin. Also etwas, das im Menschen selbst passiert.
„Diskriminierung“ bedeutet: Jemand wird schlecht behandelt. Oder ausgeschlossen.

Wenn wir beides zusammensetzen, heißt das: Ein Mensch denkt schlecht über sich selbst. Und zwar, weil er sein ganzes Leben lang so behandelt wurde. Er hat gelernt, dass er „nicht normal“ ist. Oder dass er „nervt“. Oder dass er nur dann geliebt wird, wenn er sich besonders anstrengt.

Menschen mit Behinderung hören oft solche Sätze:
„Du kannst das nicht.“
„Du bist zu langsam.“
„Du brauchst zu viel Hilfe.“
„Mit dir ist es kompliziert.“
„Du bist eine Belastung.“
„Du störst.“
Diese Sätze tun weh. Und wenn man sie oft genug hört, fängt man an, sie zu glauben. Man denkt: „Ich bin nicht gut genug.“ Oder: „Ich bin eine Last.“ Oder: „Ich darf keine Hilfe brauchen.“ Und das ist das Gefährliche. Denn man macht sich dann selbst klein.

Ein Mensch, der sich selbst nicht wichtig nimmt, traut sich weniger zu. Er fragt nicht nach Hilfe. Er sagt nicht, wenn er schlecht behandelt wird. Er glaubt: „Ich bin selbst schuld.“ Oder: „Ich verdiene das.“ Das ist interne Diskriminierung.

Diese Gedanken kommen nicht aus dem Nichts. Sie kommen, weil die ganze Gesellschaft ableistisch ist. Das bedeutet: Die ganze Umgebung tut oft so, als wären Menschen mit Behinderung weniger wert. Sie werden selten gezeigt. Sie werden selten gefragt. Sie werden selten gehört. Und wenn doch, dann oft nur als „Mutmacher“ oder als „Trauergeschichte“. Aber nie einfach so, als Menschen mit eigenen Wünschen, mit Liebe, mit Wut, mit Stolz.

Wer immer nur hört, dass er besonders ist – aber nie im positiven Sinn – der fängt an zu glauben, dass er wirklich „anders“ ist. Nicht als eigene Persönlichkeit. Sondern als jemand, der nicht dazu gehört.

Ein Beispiel: Ein Kind im Rollstuhl wird in der Schule immer als Letztes ausgewählt beim Sport. Niemand fragt, ob es mitmachen möchte. Niemand fragt, was es braucht, um Spaß zu haben. Die anderen sehen nur: „Der kann nicht laufen.“ Und das Kind spürt das. Es merkt: „Ich bin nicht willkommen.“ Und wenn das oft genug passiert, denkt das Kind irgendwann selbst: „Ich gehöre nicht dazu.“

Oder ein Erwachsener mit einer unsichtbaren Krankheit versucht, alles alleine zu schaffen. Er will keine Hilfe. Er will stark sein. Er will nicht auffallen. Weil er sein ganzes Leben lang gehört hat: „Stell dich nicht so an.“ Oder: „Du siehst doch gesund aus.“ Also spielt er eine Rolle. Er tut so, als wäre alles gut. Aber innen drin tut es weh. Und irgendwann glaubt er selbst: „Ich bin einfach schwach.“

Diese Art von Denken ist gefährlich. Sie macht Menschen klein. Sie nimmt ihnen die Kraft. Und sie verhindert, dass sie für sich selbst einstehen.

Doch niemand ist weniger wert. Kein Mensch. Egal, wie der Körper funktioniert. Egal, wie das Gehirn arbeitet. Egal, wie viel Hilfe man braucht. Jeder Mensch hat das Recht, gesehen zu werden. Und gehört. Und geliebt. Auch wenn er sich nicht jeden Tag stark fühlt. Auch wenn er Hilfe braucht.

Um diese innere Diskriminierung zu stoppen, braucht es Mut. Man muss lernen, sich selbst wieder zu vertrauen. Man muss lernen, „Nein“ zu sagen. Und „Ja“ zu sich selbst. Und manchmal braucht man dabei Unterstützung. Von Menschen, die zuhören. Die glauben, was man sagt. Die einen nicht retten wollen, sondern einfach da sind.

Und die Gesellschaft muss sich ändern. Damit Kinder mit Behinderung nicht denken, sie seien falsch. Damit Erwachsene mit Behinderung nicht glauben, sie müssten sich verstecken. Damit niemand mehr den Gedanken hat: „Ich bin zu viel.“

Denn niemand ist zu viel. Und niemand ist zu wenig. Alle sind genau richtig.

Was kann jeder Einzelne tun?

Ableismus ist ein großes Problem. Es ist in der Schule, auf der Arbeit, auf der Straße, in Behörden, in der Politik und in unseren Köpfen. Viele Menschen denken jetzt vielleicht:
„Ich allein kann daran nichts ändern.“
Aber das stimmt nicht.

Du musst nicht Politikerin sein. Du musst keine Bücher schreiben. Du musst keine große Bühne haben. Du kannst auch so etwas tun. Im Alltag. Jeden Tag. Dort, wo du bist. In deinem Umfeld. In deiner Sprache. In deinem Denken.

Der erste Schritt ist einfach: Hinhören.
Wenn jemand sagt: „Ich fühle mich ausgeschlossen.“ Dann höre zu. Nicht mit einem halben Ohr. Sondern wirklich. Ohne gleich zu sagen: „Das war doch nicht so gemeint.“ Oder: „Du übertreibst.“ Sag einfach: „Danke, dass du mir das gesagt hast.“
Dann überlege, was du beim nächsten Mal anders machen kannst.

Der zweite Schritt: Fragen.
Du musst nicht alles wissen. Niemand weiß alles. Aber du kannst fragen. Freundlich. Offen. Ohne Druck. Du kannst sagen:
„Wie möchtest du angesprochen werden?“
„Was kann ich tun, damit du dich wohlfühlst?“
„Gibt es etwas, das ich nicht bedacht habe?“
Solche Fragen zeigen: Du siehst den Menschen. Du nimmst ihn ernst. Du willst verstehen. Und das macht einen großen Unterschied.

Der dritte Schritt: Eigene Fehler zugeben.
Manchmal sagen wir etwas, das andere verletzt. Auch wenn wir es nicht wollten. Dann ist es wichtig zu sagen:
„Das tut mir leid. Ich habe einen Fehler gemacht.“
Und dann: Besser machen. Nicht zu viel reden. Nicht weinen. Nicht dramatisch werden. Einfach ehrlich sein. Und zuhören. So entsteht Vertrauen.

Der vierte Schritt: Nicht wegschauen.
Wenn du siehst, dass jemand ausgeschlossen wird, dann sag etwas. Freundlich, aber klar. Du kannst sagen:
„Hey, können wir bitte alle einbeziehen?“
Oder: „Ich glaube, da fehlt noch jemand.“
Oder auch: „Können wir die Rampe benutzen statt der Treppe?“
Du musst nicht laut schreien. Du musst nicht streiten. Aber du kannst zeigen: Ich sehe das. Und ich finde das nicht okay.

Der fünfte Schritt: Nachdenken, bevor du sprichst.
Sprache ist stark. Ein Satz kann ein Lächeln machen. Oder Tränen. Überlege kurz:
Ist das, was ich sagen will, freundlich?
Ist es gerecht?
Ist es vielleicht verletzend?
Wenn ja, finde ein anderes Wort. Oder sage es anders. Es braucht nur ein paar Sekunden. Aber es kann das Leben eines anderen Menschen besser machen.

Der sechste Schritt: Sich selbst nicht zu wichtig nehmen.
Manchmal denken Menschen: „Ich weiß schon, wie es läuft.“ Oder: „Ich kann das besser entscheiden.“
Aber niemand weiß alles. Jeder Mensch hat eine eigene Erfahrung. Eine eigene Sicht. Eine eigene Wahrheit. Es ist wichtig, das zu akzeptieren.
Du musst nicht für andere sprechen. Aber du kannst ihnen Raum geben. Damit sie selbst sprechen können.

Und noch etwas: Man darf dabei auch scheitern.
Du wirst Fehler machen. Alle machen Fehler. Das ist nicht schlimm. Wichtig ist nur: Lern daraus. Wachse daran. Frag nach. Und bleib offen. Ableismus wird nicht durch Streit weniger. Sondern durch Ehrlichkeit. Und durch Mut.

Wenn du wirklich etwas tun willst, dann fang dort an, wo du gerade bist. Frag dich:
Ist mein Arbeitsplatz barrierefrei?
Kommen in meiner Schule alle Kinder vor?
Können alle meine Webseite lesen?
Versteht jede Person meine E-Mail?
Gibt es eine Rampe? Einen Aufzug? Einen Dolmetscher?
Und wenn nicht – dann sprich es an. Oder hilf, etwas zu verändern.

Du musst kein Held sein. Du musst nur Mensch sein. Mit Herz. Und mit Respekt.

So fängt es an.
Und so kann es besser werden.

Ableismus verstehen ohne Schuldgefühl – aber mit Verantwortung

Viele Menschen reagieren so, wenn sie zum ersten Mal von Ableismus hören:
Sie erschrecken.
Sie denken: „Oh nein, das habe ich auch schon mal gesagt.“
Oder: „Habe ich jemanden verletzt, ohne es zu merken?“
Oder sogar: „Bin ich ein schlechter Mensch?“

Diese Gedanken sind ganz normal. Sie zeigen, dass du ein Gewissen hast. Dass dir andere Menschen wichtig sind. Aber du musst dich nicht schuldig fühlen. Denn Schuld bringt uns nicht weiter. Wichtig ist nicht, was du gestern nicht wusstest. Wichtig ist, was du heute damit machst.

Ableismus ist nicht deine persönliche Erfindung. Er ist überall. In der Schule. In der Sprache. In den Gesetzen. In der Werbung. In unseren Köpfen. Er wurde über viele Jahre weitergegeben. Durch Erziehung. Durch Filme. Durch Zeitungen. Durch falsche Vorbilder. Das kannst du nicht allein ändern.

Aber du hast Verantwortung. Für dein eigenes Denken. Für dein eigenes Handeln. Und für das, was du anderen Menschen zumutest – oder ersparst.

Verantwortung heißt: Du bist bereit, dich zu ändern. Auch wenn es unbequem ist. Auch wenn du dich schämst. Auch wenn es schwer ist.

Es gibt Menschen, die sagen: „Man darf ja gar nichts mehr sagen.“ Das ist falsch. Du darfst alles sagen. Aber du musst auch bereit sein, zuzuhören. Wenn dir jemand sagt: „Das verletzt mich“, dann geht es nicht um deine Absicht. Es geht darum, wie dein Satz ankam. Verantwortung heißt: Du nimmst das ernst. Und du machst es besser.

Verantwortung heißt nicht: Du musst dich immer perfekt verhalten. Du wirst Fehler machen. Das ist menschlich. Aber du lernst aus diesen Fehlern. Du sagst: „Es tut mir leid.“ Und dann gehst du weiter. Mit offenen Augen. Und einem offenen Herzen.

Ableismus zu erkennen, ist manchmal wie das Aufwachen. Plötzlich siehst du, was vorher unsichtbar war. Plötzlich merkst du:
Warum gibt es hier keinen Aufzug?
Warum spricht niemand mit der Frau im Rollstuhl?
Warum kann der Junge mit der Lernhilfe nie mit auf Klassenfahrt?

Und dann kannst du sagen: „Ich sehe das. Und ich will etwas ändern.“

Du kannst mitreden, wenn Barrierefreiheit geplant wird.
Du kannst zuhören, wenn Menschen mit Behinderung von ihrem Leben erzählen.
Du kannst Menschen einladen, die oft übersehen werden.
Du kannst Kinder bestärken, dass alle Körper okay sind.
Du kannst zeigen: Hier bist du willkommen. Du bist nicht weniger wert.

Wenn du das tust, veränderst du die Welt. Vielleicht nur ein kleines Stück. Aber viele kleine Stücke ergeben ein großes Bild.

Du musst kein Held sein. Du musst nicht perfekt sein.
Aber du kannst ein Mensch sein, der aufsteht.
Ein Mensch, der sagt:
„Ich bin bereit, mich zu hinterfragen.“
„Ich will mithelfen.“
„Ich will, dass niemand ausgeschlossen wird.“

Das ist Verantwortung.
Und das ist stark.

Wir haben jetzt viel über Ableismus gelesen. Vielleicht war manches neu für dich. Vielleicht war es auch unangenehm. Vielleicht hast du dich bei einigen Stellen ertappt gefühlt. Das ist in Ordnung. Es geht nicht darum, alles schon richtig gemacht zu haben. Es geht darum, es ab jetzt besser zu machen.

Niemand muss perfekt sein. Aber jeder Mensch kann mithelfen, dass unsere Welt gerechter wird. Du kannst zuhören. Du kannst fragen. Du kannst hinsehen. Und du kannst andere Menschen mitnehmen. Denn jeder kleine Schritt zählt.

Ein Mensch ist kein Problem, nur weil er anders ist. Die Welt ist ein Problem, wenn sie nur für wenige funktioniert. Eine gerechte Gesellschaft ist eine Gesellschaft, in der alle Menschen mitmachen können – egal, wie sie gehen, sprechen, denken, hören oder fühlen.

Wenn du heute etwas gelernt hast, dann behalte es. Rede darüber. Denk darüber nach. Und vor allem: Sei mutig. Du bist Teil dieser Welt. Du bist Teil des Wandels. Und es liegt in deiner Hand, ob du Türen öffnest – oder verschlossen lässt.

Danke, dass du diesen Text gelesen hast. Vielleicht hast du jetzt einen neuen Blick auf andere. Und vielleicht auch auf dich selbst.