Hallo Beatrix,
Du wirst diese Zeilen vermutlich nie lesen. Denn ich bin – wie viele andere Menschen auch – von Dir auf der Plattform X blockiert worden. Das ist schade, denn eigentlich wäre es wichtig, dass wir miteinander sprechen. Oder wenigstens, dass Du mal zuhörst, wenn jemand sachlich erklärt, warum Deine Behauptungen falsch sind. Weil Du mir aber diese Möglichkeit genommen hast, veröffentliche ich meine Antwort auf meiner eigenen Internetseite. Ich hoffe sehr, dass viele Menschen diesen Text unter Deinen Post kopieren. Vielleicht erreicht Dich dann doch noch, was ich Dir zu sagen habe. Und vielleicht können auch Deine Wählerinnen und Wähler besser verstehen, worum es wirklich geht.
Du hast am 14. Mai 2024 auf X geschrieben, dass laut dem neuen Gutachten des Verfassungsschutzes jemand als Feind unserer Verfassung gilt, wenn er an eine deutsche Identität glaubt, wenn er einen Zusammenhang zwischen Einwanderung und Kriminalität sieht oder wenn er von „Islamisierung“ spricht. Du hast das Gutachten „Irrsinn“ genannt und Dich und deine rechtsextreme Partei, die AfD, dabei so dargestellt, als wäre alles, was darin steht, ein Angriff auf ganz normale Meinungen. Aber das stimmt nicht. Und das kann man ganz einfach zeigen, wenn man sich die Mühe macht, das Gutachten wirklich zu lesen. Ich habe das getan. Und ich erkläre Dir jetzt, was wirklich drinsteht. Ich benutze dafür einfache Sprache. Denn ich will, dass jede und jeder verstehen kann, worum es geht.
Zuerst zu Deinem Punkt mit der nationalen Identität. Du behauptest, man sei laut Verfassungsschutz ein Feind der Verfassung, wenn man glaubt, dass die Deutschen eine eigene Identität haben. Also eine gemeinsame Kultur, Sprache, Geschichte oder Herkunft. Aber das ist nicht richtig. Natürlich darf man stolz sein auf seine Kultur. Natürlich darf man deutsche Gedichte schön finden oder gern Bratwurst essen. Natürlich darf man sich über Traditionen freuen, über Weihnachten oder den Karneval oder das Oktoberfest. Das ist alles kein Problem. Und das sagt auch der Verfassungsschutz ganz klar. In seinem Gutachten steht sogar, dass es völlig erlaubt ist, sich für die deutsche Kultur einzusetzen. Was aber nicht erlaubt ist, und was auch nicht im Einklang mit unserem Grundgesetz steht, ist die Vorstellung, dass nur Menschen mit bestimmten Vorfahren „richtige Deutsche“ sein können.
Denn das Grundgesetz sagt: Jeder Mensch mit einem deutschen Pass gehört zum deutschen Volk. Ganz egal, wo seine Eltern herkommen. Oder seine Großeltern. Oder welche Hautfarbe dieser Bürger hat. Oder was für einen Vornamen. Und wenn Du oder Deine Partei so tut, als gäbe es „richtige“ und „unechte“ Deutsche, dann verletzt Ihr damit das Prinzip, dass alle Menschen gleich viel wert sind. Und das steht in Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Dort steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Und damit ist wirklich jeder Mensch gemeint. Wenn Deine Partei von „Passdeutschen“ spricht, dann macht Ihr damit klar, dass Ihr manchen Deutschen weniger Wert gebt als anderen. Ihr sagt: Diese Person hat zwar den deutschen Pass, aber sie gehört eigentlich nicht dazu. Und genau das ist verfassungsfeindlich. Denn das bedeutet: Manche Menschen sollen in Deutschland weniger wert sein als andere. Und genau das darf in unserem Land nicht passieren.
Jetzt zu Deinem zweiten Punkt. Du sagst, man sei ein Feind der Verfassung, wenn man einen Zusammenhang sieht zwischen Einwanderung und Kriminalität. Auch das ist nicht richtig. Man darf in einer Demokratie über alles reden. Auch über schwierige Themen. Und es ist richtig, dass es immer wieder auch Menschen gibt, die nach Deutschland kommen und hier Straftaten begehen. Aber der Verfassungsschutz sagt nicht, dass man darüber nicht reden darf. Was er sagt, ist etwas anderes. Er sagt: Es ist ein Unterschied, ob man ein Problem anspricht oder ob man ganze Menschengruppen pauschal als kriminell darstellt. Und Deine Partei tut leider immer wieder genau das. Wenn Ihr Begriffe benutzt wie „Messermigration“ oder „importierte Kriminalität“, dann tut Ihr so, als wären alle Menschen, die zu uns kommen, gewalttätig. Und das ist nicht wahr.
Es gibt viele Studien von klugen Menschen, die das Gegenteil zeigen. Sie haben untersucht, ob in Regionen mit vielen Zuwanderern mehr Verbrechen passieren. Und das Ergebnis ist: Nein. Es gibt keinen direkten Zusammenhang. Natürlich gibt es einzelne Täter. Aber es ist falsch und gefährlich, daraus zu machen: Alle Flüchtlinge sind gefährlich. Denn das führt zu Angst und zu Hass. Und zu Ausgrenzung. Und wenn eine Partei immer wieder solche Begriffe benutzt, obwohl sie weiß, dass sie nicht stimmen, dann kann man nicht mehr sagen, dass es nur eine Meinung ist. Dann ist es Hetze. Und Hetze gegen Menschengruppen ist verfassungswidrig. Denn sie verletzt die Menschenwürde. Und auch das sagt unser Grundgesetz sehr deutlich.
Zu Deinem dritten Punkt: Du schreibst, dass es extremistisch sei, wenn man von Islamisierung spricht. Auch das ist so nicht richtig. Es kommt nämlich – wie immer – darauf an, wie man etwas meint und sagt. Der Verfassungsschutz geht selbst gegen islamistische Gruppen vor. Also gegen Gruppen, die unsere Demokratie durch eine religiöse Diktatur ersetzen wollen. Die Terror verbreiten oder Frauen unterdrücken oder unsere Freiheit abschaffen wollen. Diese Gruppen sind eine echte Gefahr. Und der Staat beobachtet sie. Aber das ist nicht das, worüber Du sprichst.
Wenn Du oder Deine Parteikollegen von „Islamisierung“ reden, dann meint Ihr oft alle Muslime. Auch die friedlichen. Auch die, die hier geboren sind. Auch die, die Polizisten sind oder Ärztinnen oder Busfahrer. Ihr tut so, als wären Muslime eine feindliche Macht, die unser Land übernehmen wollen. Ihr redet von „Invasion“, von „Besatzung“, von „Rückeroberung“. Ihr postet Bilder von verschleierten Frauen mit Kinderwagen und schreibt daneben: „Islamisierung findet nicht statt?“ Damit macht Ihr Angst. Und Ihr macht Menschen schlecht, nur weil sie an einen anderen Gott glauben oder ein Kopftuch tragen oder Mohammed heißen. Und auch das ist verfassungsfeindlich. Weil es gegen die Religionsfreiheit verstößt. Und die steht in Artikel 4 unseres Grundgesetzes.
Du sagst, der Verfassungsschutz mache normale Meinungen zu extremistischen Gedanken. Aber das stimmt nicht. Der Verfassungsschutz schaut sich sehr genau an, wie Dinge gesagt werden. Und warum sie gesagt werden. Und wenn jemand immer wieder Gruppen schlecht macht, wenn jemand die Würde anderer Menschen verletzt, wenn jemand Ängste schürt, um daraus Macht zu gewinnen – dann darf der Staat das beobachten. Und er muss es sogar. Denn wir haben aus unserer Geschichte gelernt. Wir wissen, wie es endet, wenn man Menschen in Gruppen einteilt, wenn man Unterschiede zu Feindbildern macht. Wenn man erst sagt „Die gehören nicht dazu“ – und dann irgendwann handelt, als wäre das wirklich so.
Also Beatrix, ich weiß, dass Du diese Antwort nicht lesen wirst. Aber ich wünsche mir, dass viele Menschen sie teilen. Damit Deine Follower sehen, dass es eine andere Sicht gibt. Eine menschlichere. Eine klügere. Eine, die nicht auf Angst baut, sondern auf Menschlichkeit. Ich möchte, dass Deine Wähler verstehen: Niemand verbietet ihnen, ihre Sorgen zu äußern. Aber sie sollten genau hinschauen, wem sie folgen. Und was diese Menschen mit ihren Worten anrichten. Denn Worte haben Macht. Und in einer Demokratie müssen wir sehr vorsichtig damit sein, wie wir diese Macht benutzen.
Du hast Deine Tür für die Diskussion zugeschlagen. Ich halte meine offen. Für alle, die noch zuhören wollen. Und für alle, die die Wahrheit suchen. Nicht die einfache. Sondern die ehrliche.
Mit achtsamen Grüßen
Florian Lancker AKA @SchreibeEinfach
Quelle:Â https://x.com/Beatrix_vStorch/status/1922531101815250970