Jesus war radikal politisch – und ohne ihn gäbe es keine CDU

Wer heute behauptet, Religion müsse sich aus der Politik raushalten, der hat Jesus entweder nie verstanden oder nie ernst genommen. Denn Jesus war nicht nur ein Wanderprediger mit Bart und Sandalen, der irgendwo in Galiläa nette Geschichten erzählte. Er war eine hochpolitische Person. Er hat die Gesellschaft seiner Zeit scharf kritisiert. Er hat sich mit den Mächtigen angelegt. Er hat religiöse Heuchelei öffentlich entlarvt. Und er hat Menschen dazu gebracht, sich zu entscheiden: Für die Gerechtigkeit oder für das System. Für Mitgefühl oder für Reichtum. Für Mut oder für Angst. Wer behauptet, Jesus sei unpolitisch gewesen, hat sein Leben nicht gelesen.

Jesus war nicht parteilos. Aber er war parteiisch. Und zwar für die Schwachen, für die Armen, für die Ausgegrenzten. Er hat sich auf die Seite der Kinder gestellt. Auf die Seite der Frauen. Auf die Seite der Kranken. Auf die Seite der Sklaven. Auf die Seite der Menschen, die als „unrein“ galten. Und er hat das laut gemacht. Nicht versteckt. Nicht diplomatisch. Nicht angepasst. Sondern mutig, klar, deutlich – und für viele auch gefährlich.

Gerade deshalb haben ihn die religiösen und politischen Führer seiner Zeit gehasst. Weil er sie bloßgestellt hat. Weil er ihren falschen Frieden gestört hat. Weil er die Strukturen angegriffen hat, in denen wenige alles haben und viele nichts. Weil er gesagt hat, dass Gott nicht mit dem Palast ist, sondern mit dem Stall. Nicht mit dem Tempel, sondern mit den Hungrigen. Nicht mit den Reichen, sondern mit den Letzten.

Jesus hat keine Partei gegründet. Aber ohne ihn gäbe es die CDU nicht. Und auch keine CSU. Denn die beiden Parteien schreiben sich bis heute das „C“ wie „Christlich“ in ihren Namen. Sie beziehen sich auf eine christliche Werteordnung. Auf eine christliche Menschenwürde. Auf die christliche Ethik. Auf die zehn Gebote. Auf die Bergpredigt. Auf die Geschichte von Jesus. Und damit auch auf seinen Mut, sich in politische Konflikte einzumischen. Wenn heute Politiker aus diesen Parteien fordern, die Kirche solle sich bitte raushalten aus politischen Fragen – dann zeigt das vor allem eines: Dass sie ihre eigene Geschichte vergessen haben.

Jesus war unbequem. Er hat sich nicht angepasst. Er hat nicht gesagt: „Wir müssen Kompromisse machen.“ Er hat gesagt: „Euer Ja sei ein Ja. Euer Nein ein Nein.“ Das war keine Botschaft für Sonntage. Das war eine Botschaft für jeden Tag. Und das war politisch. Denn wenn man fordert, dass alle Menschen gleich viel wert sind, dann ist das ein Angriff auf jedes System, das Ungleichheit verteidigt. Wenn man sagt, dass Reichtum ein Problem ist, wenn andere verhungern, dann ist das eine klare Ansage an jede Regierung. Wenn man dafür sorgt, dass Blinde wieder sehen und Lahme wieder gehen können, dann ist das nicht einfach nur ein Wunder – dann ist das eine Systemkritik, die zeigt, wie die Welt eigentlich aussehen sollte.

Viele Kirchenvertreter haben das verstanden. Manche machen es auch. Sie setzen sich ein für Geflüchtete. Sie schützen Menschen vor Abschiebung. Sie bieten Kirchenasyl. Sie mischen sich ein in Klimapolitik, in Friedensfragen, in Fragen der Gerechtigkeit. Aber dafür werden sie heute immer öfter angegriffen. Auch von Leuten aus CDU und CSU. Dieselben Leute, die mit ihrem „C“ werben, wollen auf einmal, dass sich Kirche „aus der Politik raushält“. Das ist nicht nur widersprüchlich. Es ist heuchlerisch.

Jesus hat keine Mauer zwischen Glauben und Leben gezogen. Er hat gesagt: „Was ihr dem Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.“ Damit war alles gesagt. Der Glaube ist nichts für das stille Kämmerlein. Der Glaube gehört auf die Straße. In die Schule. In den Bundestag. In die Talkshows. In die Innenpolitik. In die Außenpolitik. In die Fragen von Krieg und Frieden. Von Armut und Reichtum. Von Macht und Ohnmacht.

Wer sich heute auf Jesus beruft, muss ihn auch ernst nehmen. Und das heißt: sich einmischen. Sich nicht wegducken. Nicht schweigen, wenn Unrecht geschieht. Nicht die Kirche zu einem stillen Raum machen, sondern zu einem lauten Ort. Zu einem Schutzraum für die Schwachen. Zu einem Stachel im Fleisch der Reichen. Zu einem Spiegel für die Mächtigen.

Jesus hat den Tempel nicht reformiert. Er hat ihn umgestoßen. Er hat nicht mit den Römern verhandelt. Er hat sich nicht verbogen. Er hat keine Zustimmung gesucht. Er hat Wahrheit gesprochen. Und am Ende hat er dafür sein Leben verloren. Nicht weil er Gott gespielt hat. Sondern weil er Mensch war. Einer, der sich geweigert hat, Unrecht still zu ertragen. Einer, der sich nicht kaufen ließ. Einer, der lieber gekreuzigt wurde, als zu schweigen.

Wer heute meint, Kirche müsse unpolitisch sein, sollte sich daran erinnern, was aus Jesus wurde. Und warum. Und wer sich das „C“ in den Parteinamen schreibt, sollte sich nicht empören, wenn Christinnen und Christen genau das tun, was Jesus vorgemacht hat: sich einmischen, Stellung beziehen, laut werden.

Denn wer heute das Christentum von der Politik trennt, macht aus Jesus eine Karikatur. Einen netten Typen mit langen Haaren, der niemandem weh tut. Aber Jesus war kein netter Typ. Er war ein Revoluzzer. Ein Systembrecher. Ein Prophet. Und das ist keine Behauptung. Das ist die Grundlage dessen, was viele heute für selbstverständlich halten: Nächstenliebe, Menschenrechte, Gleichwertigkeit, Frieden.

Wer also heute die Kirche ermahnt, sich rauszuhalten, sollte sich fragen, ob er dann auch Jesus den Mund verbieten würde. Und ob er dann überhaupt noch weiß, was „christlich“ eigentlich bedeutet. Denn wer das Kreuz ernst nimmt, muss auch den Mut haben, aufrecht zu gehen. Auch gegen den Wind. Auch wenn es unbequem ist. Auch wenn es einen Stimmen kostet.

Jesus hat keine Koalitionen gesucht. Er hat Wahrheit gelebt. Wer ihm folgen will, muss auch bereit sein, anzuecken. Alles andere ist nur Show.