Die elektronische Patientenakte: Warum sie nicht barrierefrei und inklusiv ist

In Deutschland startet bald die elektronische Patientenakte, kurz ePA genannt. Das bedeutet, dass deine Gesundheitsdaten, wie Arztbriefe, Röntgenbilder oder Medikamente, digital gespeichert werden. Der Arzt kann so jederzeit wichtige Informationen schnell sehen und besser helfen. Eigentlich ist das eine gute Idee, denn du musst nicht mehr alle Unterlagen selbst zum Arzt tragen. Aber leider gibt es bei der Umsetzung viele Probleme. Vor allem beim Thema Barrierefreiheit und Inklusion gibt es große Schwierigkeiten.

Barrierefreiheit bedeutet, dass wirklich jeder Mensch ein Angebot nutzen kann, egal welche Behinderung er hat. Das gilt besonders für digitale Angebote wie Apps oder Webseiten. Menschen mit einer Sehbehinderung nutzen zum Beispiel spezielle Programme, die ihnen den Text auf dem Bildschirm vorlesen. Doch genau hier gibt es Schwierigkeiten bei der ePA. Denn viele der ePA-Apps und Webseiten, die die Krankenkassen anbieten, funktionieren nicht richtig mit solchen Hilfsprogrammen. Oft fehlen wichtige Beschreibungen oder Knöpfe, die man mit einem Vorleseprogramm bedienen kann.

Stell dir vor, du bist blind und möchtest wichtige Informationen über deine Gesundheit erfahren. Doch die App liest dir nur einen Teil der Informationen vor oder sagt dir nicht, was du als Nächstes machen musst. So kannst du wichtige Dinge nicht selbst erledigen und musst ständig andere Menschen um Hilfe bitten. Das bedeutet, dass du keine Selbstständigkeit mehr hast. Eigentlich soll aber gerade die elektronische Patientenakte dafür sorgen, dass du selbst besser über deine Gesundheit entscheiden kannst. So funktioniert Inklusion nicht.

Die Krankenkassen wurden leider lange nicht verpflichtet, die ePA barrierefrei zu machen. Das Gesetz sagte nur, dass sie es versuchen sollten. Das reichte nicht aus. Deshalb gibt es jetzt viele unterschiedliche Lösungen, die alle unterschiedlich gut oder schlecht funktionieren. So kann es sein, dass eine Krankenkasse eine gute App hat, die auch blinde Menschen benutzen können, während eine andere Krankenkasse eine App anbietet, die völlig unbrauchbar ist.

Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, sagt dazu klar: „Es war ein großer Fehler, die Krankenkassen nicht von Anfang an zur Barrierefreiheit zu verpflichten.“ Sie kritisiert, dass viele Menschen mit Behinderung jetzt von der Nutzung ausgeschlossen sind. Dabei sind gerade Menschen mit Behinderung oft besonders auf eine gut funktionierende ePA angewiesen, weil sie häufig mehr Krankheiten haben und öfter zum Arzt gehen müssen.

Außerdem gibt es auch viele Menschen, die gar kein eigenes Smartphone oder keinen Computer besitzen. Das betrifft besonders ältere Menschen. Für diese Gruppe ist die elektronische Patientenakte praktisch nicht nutzbar. Sie haben zwar auch eine ePA, können diese aber nicht selbst anschauen oder verändern. Sie sind darauf angewiesen, dass Ärzte oder andere Personen ihnen dabei helfen. Doch genau das sollte die ePA eigentlich verhindern.

Ein weiteres großes Problem ist der Datenschutz. Viele Menschen haben Angst, dass ihre privaten Gesundheitsinformationen nicht sicher sind. Sie haben Angst, dass fremde Menschen diese Daten sehen oder benutzen könnten. Computerspezialisten vom Chaos Computer Club, kurz CCC genannt, haben tatsächlich Sicherheitsprobleme gefunden und gezeigt, wie einfach es für Hacker sein könnte, auf Daten zuzugreifen. Solange diese Probleme bestehen, werden viele Menschen die ePA nicht benutzen wollen, weil sie kein Vertrauen haben.

Datenschutz und Barrierefreiheit gehören eng zusammen. Wenn die ePA nicht barrierefrei ist, müssen Menschen mit Behinderung oft andere Personen um Hilfe bitten. Dadurch geben sie Informationen über ihre Gesundheit an Personen weiter, die diese eigentlich nicht wissen sollten. Das ist auch eine Verletzung des Datenschutzes. Deswegen ist Barrierefreiheit nicht nur wichtig, um Menschen mit Behinderung den Zugang zu ermöglichen, sondern auch, um ihre Daten wirklich zu schützen.

Die Vereinten Nationen haben festgelegt, dass Deutschland Barrierefreiheit garantieren muss. Das steht in der sogenannten UN-Behindertenrechtskonvention. Dieses Abkommen verpflichtet Deutschland, dass alle Menschen gleich behandelt werden müssen und Zugang zu Informationen bekommen sollen. Im Moment hält sich Deutschland aber bei der ePA nicht daran. Das kritisieren viele Verbände und Organisationen stark.

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband fordert, dass klare Gesetze gemacht werden. Diese Gesetze müssen Krankenkassen verpflichten, alle Angebote nach einheitlichen Standards barrierefrei zu gestalten. Nur dann könnten wirklich alle Menschen gleich behandelt werden. Im Moment fehlen solche klaren Regeln noch immer.

Fachleute empfehlen, dass Krankenkassen einheitliche Regeln wie die WCAG 2.2 einhalten müssen. Das sind weltweit gültige Regeln, die erklären, wie man Webseiten und Apps wirklich für jeden Menschen bedienbar macht. Dazu gehört, dass alle Knöpfe gut beschrieben sind, Texte gut vorgelesen werden können und man alles nur mit einer Tastatur bedienen kann.

Zusammengefasst kann man sagen: Die elektronische Patientenakte ist im Moment keine echte Inklusion. Solange es Probleme bei der Barrierefreiheit und beim Datenschutz gibt, bleiben viele Menschen ausgeschlossen. Sie können nicht selbstbestimmt entscheiden und verlieren ihre Privatsphäre. Um echte Inklusion zu schaffen, müssen die Gesetze verändert und die Technik verbessert werden. Nur dann haben wirklich alle Menschen die gleichen Möglichkeiten, ihre Gesundheit digital zu verwalten.