Ein System, das Kindern schadet: Warum das Kita-Gutschein-System in Hamburg ungerecht ist

In Hamburg gibt es ein besonderes System für die Bezahlung von Kita-Plätzen. Es heißt Kita-Gutschein-System. Das klingt erst einmal freundlich. Es klingt so, als würde sich die Stadt Hamburg um die Kinder kümmern. Es klingt so, als hätten alle Familien die freie Wahl. Und als würden die Kitas ausreichend Geld bekommen, damit sie gut arbeiten können. Leider stimmt das nicht. Das Kita-Gutschein-System hat viele Schwächen. Es sorgt dafür, dass Kinder nicht das bekommen, was sie brauchen. Es sorgt dafür, dass die Fachkräfte überarbeitet sind. Und es sorgt dafür, dass Kitas vor allem danach handeln müssen, wie viel Geld sie für ein Kind bekommen – und nicht, was das Kind wirklich braucht. Die Menschen, die dieses System erfunden und bis heute nicht verbessert haben, gehören der SPD und den Grünen an. In Hamburg regiert seit vielen Jahren ein rot-grüner Senat. Die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (kurz: Sozialbehörde) trägt die Verantwortung. Die zuständige Senatorin heißt derzeit Melanie Schlotzhauer. Auch sie gehört zur SPD. Doch obwohl viele Fachleute seit Jahren auf die Probleme hinweisen, wird das System kaum verändert.

Das Kita-Gutschein-System funktioniert so: Die Eltern beantragen einen Gutschein. Darauf steht, wie viele Stunden Betreuung sie pro Woche für ihr Kind bekommen. Die Anzahl hängt vom Alter des Kindes ab, vom Beruf der Eltern und vom Einkommen. Die Kitas bekommen dann Geld von der Stadt – je nach Gutschein. Für mehr Stunden gibt es mehr Geld. Für besondere Förderbedarfe, zum Beispiel bei Kindern mit Behinderung, gibt es einen kleinen Aufschlag. Dieses Geld bekommen die Träger der Kitas. Von diesem Geld müssen sie alles bezahlen: Das Personal, die Räume, das Material, die Reinigung, die Verwaltung, die Leitung, die Fortbildungen, die Vertretungskräfte und vieles mehr. Auf dem Papier sieht das gut aus. In der Realität reicht das Geld nicht. Es reicht oft nicht einmal für das Nötigste. Besonders schlimm ist das in Kitas, die inklusiv arbeiten. Also in Einrichtungen, die auch Kinder mit Förderbedarf aufnehmen.

Kinder, die eine besondere Begleitung brauchen, müssen nach dem Kita-Gutschein-System genau berechnet werden. Für jedes Kind wird ein Förderbedarf festgestellt. Das macht oft ein Amtsarzt oder ein Sozialpädagoge. Dann wird eine sogenannte Förderpauschale berechnet. Diese Pauschale soll das zusätzliche Geld bringen, das die Kita braucht. Doch in Wirklichkeit reicht diese Förderung nicht. Ein Kind mit Autismus, ein Kind mit geistiger Behinderung, ein Kind mit massiven Entwicklungsverzögerungen braucht viel Zeit. Es braucht feste Bezugspersonen. Es braucht Menschen mit Fachwissen. Doch die Pauschalen sind so niedrig, dass davon vielleicht eine halbe Stelle für eine Fachkraft bezahlt werden kann. Und das auch nur dann, wenn die Kita sonst sehr sparsam ist.

Die Kitas dürfen keine Schulden machen. Wenn sie mehr Geld brauchen, als sie über das Gutschein-System bekommen, müssen sie entweder sparen oder auf etwas verzichten. Das heißt oft: Es wird an Personal gespart. Es wird bei der Leitung gespart. Es wird bei der Reinigung gespart. Und oft bekommen die Fachkräfte kein volles Gehalt nach Tarif. Besonders Träger, die sich an die Tarifverträge halten, geraten unter Druck. Sie zahlen gute Löhne, aber bekommen vom Gutschein-System zu wenig Geld zurück. Das heißt: Wer gute Arbeit macht, wird finanziell bestraft. Wer am Personal spart, kommt besser durch. Das ist ungerecht und gefährlich.

Für Heilerziehungspfleger*innen ist die Lage besonders schlimm. Sie haben eine lange und anspruchsvolle Ausbildung. Sie bringen Wissen über Inklusion, über Behinderung, über Pflege, über Pädagogik und über Kommunikation mit. Sie sind eine große Hilfe für das gesamte Kita-Team. Und sie sind oft die einzigen in der Kita, die sich mit Kindern mit Förderbedarf gut auskennen. Doch das Kita-Gutschein-System sieht ihre Arbeit kaum vor. Die Förderpauschalen, die über die Sozialbehörde beantragt werden müssen, reichen für sie nicht aus. Manchmal wird ihre Arbeit sogar auf sogenannte Assistenzkräfte umgelegt. Diese bekommen eine kurze Zusatzqualifikation und übernehmen dann Aufgaben, für die man eigentlich eine umfassende Ausbildung braucht. Das ist nicht nur unfair. Es ist gefährlich. Denn wer keine echte Fachkraft ist, kann in Krisensituationen falsch handeln.

Die Sozialbehörde weiß das alles. Trotzdem wird nichts verbessert. Stattdessen wird weiter mit Förderpauschalen gearbeitet. Die Träger kämpfen ums Überleben. Die Fachkräfte arbeiten am Limit. Die Kinder mit Förderbedarf werden oft nicht aufgenommen, weil man sie sich nicht „leisten“ kann. Das ist eine stille Form von Ausgrenzung. Und sie passiert mitten in Hamburg – einer Stadt, die sich gern als modern und sozial bezeichnet.

Die Politikerinnen und Politiker, die für dieses System verantwortlich sind, haben es sich einfach gemacht. Sie sagen, dass das Kita-Gutschein-System „frei und flexibel“ sei. Sie sagen, dass die Eltern doch selbst entscheiden könnten, in welche Kita ihr Kind geht. Sie sagen, dass es genug Förderung für Inklusion gebe. Aber die Realität ist eine andere. In Wahrheit entscheiden nicht die Eltern. In Wahrheit entscheidet das Geld. In Wahrheit bekommen viele Kinder nicht das, was sie brauchen. Und viele Fachkräfte halten das nicht mehr aus.

Die Folge ist, dass immer mehr gute Leute den Beruf verlassen. Viele Heilerziehungspfleger*innen kündigen oder wechseln in andere Bereiche. Nicht, weil sie keine Lust mehr haben. Sondern weil sie erschöpft sind. Weil sie keine Wertschätzung mehr spüren. Weil sie das Gefühl haben, dass ihre Arbeit nichts mehr bewirkt. Und weil sie sehen, dass die Politik nichts ändert – obwohl sie es könnte.

Ein gerechtes Kita-System müsste anders aussehen. Es müsste sich an den Kindern orientieren, nicht an Pauschalen. Es müsste Fachlichkeit belohnen, nicht bestrafen. Es müsste Heilerziehungspfleger*innen ernst nehmen – und nicht durch Hilfskräfte ersetzen. Es müsste die Träger unterstützen, die gute Arbeit machen – nicht die, die am meisten sparen. Und es müsste endlich anerkennen, dass Bildung und Betreuung nicht kostenlos sein können. Wer will, dass Kinder gut aufwachsen, muss dafür auch gut bezahlen.

Solange das Kita-Gutschein-System in Hamburg so bleibt, wie es ist, wird sich daran nichts ändern. Dann wird es weiter Ausgrenzung geben. Weiter Überlastung. Weiter Frust. Und irgendwann wird niemand mehr da sein, der in diesem System arbeiten will.

Dann hat Hamburg nicht nur ein Finanzproblem. Dann hat Hamburg ein Demokratieproblem. Denn ein Land, das seine Kinder und seine Fachkräfte so behandelt, verliert seine Zukunft.